Montag, 29. Juli 2013

Born to shop - Kassensturz im Juli

Noch 210 Tage bis zum Ende des Projektes

Der 21. Post ist der erstaunlichen Tatsache gewidmet, dass sich mein Geld einfach nicht vermehrt. Wie kommt das?



Jonas Gerhards: Ohne Titel



Mein Kassensturz im Juli ist eine bittere Pille, die ich kaum schlucken mag. Gefühltermaßen habe ich nichts gekauft, nichts heißt in diesem Fall keine Kleidung. Dafür Kosmetik, Friseurbesuch, einen Badeanzug (musste sein!) und ein TK Maxx Schnäppchen: eine Handtasche, die um 70% reduziert war - wer kann dazu schon nein sagen? Auf der Skala von 1 bis 6 war ich also in diesem Monat mit 6 der absolute Loser und sollte mich über gar nichts wundern. Verdient habe ich auch nichts zusätzlich, so dass die Antwort auf die Frage: wie kommt das? sehr einfach ist: von nichts kommt nichts.

Im letzten Spätsommer veröffentlichte meine Lieblingsfrauenzeitschrift "Brigitte" eine Serie von Kleidungsstücken, die in Zusammenarbeit mit der Bekleidungsfirma Tom Tailor entworfen, produziert und in ausgewählten Shops und im Internet exklusiv verkauft wurden. Die Zeitschrift warb für dieses Projekt mit schön fotografierten Modestrecken in eigener Sache. Die Idee war ein Modebaukasten, in dem jedes Teil einer Linie fast mit jedem anderen Teil  kombiniert werden konnte. Der  Stil war urban, lässig und jung. Der Preis moderat und die Qualität, durch den Namen "Brigitte" und " Tom Tailor" veredelt versprach nicht gerade Billigscheiß. 
Ich liebe Baukästen jeder Art: sie sind durchdacht, gut strukturiert und vielseitig anwendbar. Die Elemente eines Baukastens sind nicht eigenwillig oder krumm, sie verändern weder ihre Textur, noch ihr Aussehen, noch ihre Haptik, sie werden auch nicht größer oder kleiner, wenn man sie benutzt. Die Elemente des Brigitte Baukasten-Bekleidungsystems jedoch veränderten schon nach kurzer Zeit ihre äußere Form. Der Pulli wurde immer breiter, Rock und Kleid bekamen diese fiesen kleinen Pilling-Kügelchen, die ein Kleidungsstück immer ungepflegt und billig aussehen lassen - und das schon nach der ersten Wäsche. Nach der Zweiten wurde es schlimmer, und danach habe ich nur noch das Kleid angezogen, aber bestimmt auch nicht öfter als ein Mal.
Um auf Rebecca Willis zurück zu kommen und ihr Manifest für gute Kleidung (Clothes: A Manifesto, in: Economist, March/April 2013): wir sind nicht born to shop, wie es auf einem T-Shirt steht. Shoppen ist eine Gewohnheit, keine Notwendigkeit. Eine ganze Generation ist zum Shoppen erzogen worden. Kam der Begriff in Deutschland nicht auch erst in meinen heißgeliebten, vom Hedonismus geprägten 1980-er Jahren auf? Seitdem leben wir in einer konsumorientierten, nach Neuheiten suchenden Kultur.
Die Dinge zu durchschauen und der Wunsch etwas zu verändern sind erste Ansätze eines neuen Bewußtseins. Wie schwierig die Veränderung ist, erlebe ich in meinem No-Shopping Projekt permanent. Ich bin gespannt, wie weit ich in 210 Tagen bin.

Mittwoch, 24. Juli 2013

F wie Fake

Noch 215 Tage bis zum Ende des Projektes


Der 20. Post ist Sascha gewidmet, der mich mit seiner Frage: was ist das Faszinierende an Königshäusern erst zum Quatschen und dann zum Nachdenken brachte.



Dies ist kein Original Basquiat.


Zum Glück bin ich im Fernsehen dann doch noch ganz gut rüber gekommen, was das Quatschen anging, Mein Aussehen hingegen glich wirklich einer Königinmutter - so schräg von unten, mit Doppelkinn, das ging  gar nicht, aber ich bin sicher, es hat auch keiner um Mitternacht das RTL- Nachtjournal gesehen.
An diesem wahnsinnig heißen Tag hatte ich beim Friseur gesessen, als die Geschäftsführerin ankündigte, dass sich ein Team von RTL angekündigt habe, um die Kundinnen über den Nachwuchs im englischen Königshaus zu interviewen. Da Flucht zwecklos war, ergaben sich alle Kundinnen in ihr Schicksal, willigten ein mitzumachen und hofften still, dass der Kelch an ihnen vorüber ging.
Die Interviewfrage, was heutzutage immer noch das Faszinierende an Königshäusern ist, hat was Philosophisch-Rätselhaftes. Man quatscht im Interview drauf los und fragt sich nachher: wer hat da gesprochen und was hat sie sagt?
Nichtsdestotrotz blieb die Frage hängen und in der stillen Minute des Haareauswaschens war endlich Zeit darüber nachzudenken: Ich glaube das Faszinierende ist das Einzigartige: dabei geht es nicht um Royality, sondern um etwas Nicht-Kopierbares. Das Original macht den Unterschied! Heutzutage hat ja jeder Promi einen Doppelgänger - sicher auch Kate und William oder die Queen. Wenn die Doppelgänger Eltern werden oder in Münster ein Fahrrad um fällt, so ist das völlig belanglos. Wenn aber die  englischen Thronfolger Nachwuchs bekommen, hat die Dynastie Zukunft. Das englische Königshaus rettet sich in die nächste Generation. Die Abstammunglinie der königlichen Familie ist nicht unterbrochen, das Original lebt weiter.

Eine ähnliche Frage beschäftigt mich seit Tagen: ist es in Ordnung, im Internet bei einem Versand, der mit Replika, also Fälschungen von Markenartikeln handelt, etwas zu kaufen?
Dass es illegal ist, steht außer Frage, aber soll man wirklich eine vierstellige Summe für ein Markenprodukt, z.B. eine Handtasche ausgeben, wenn man den "Nachbau"  für einen Bruchteil des Geldes haben kann? Die Gespräche mit Freunden waren eindeutig, wenn auch die Gründe unterschiedlich waren. Alle meinten, ein Original sei erstrebenswert, das Material , die Verarbeitung, das gewisse Etwas im Design, die Freude, es zu besitzen und zu benutzen - all das waren ausschlaggebende Gründe für Originalwaren; schließlich auch die Idee, dass es total peinlich sein muss, mit einer Fälschung entdeckt zu werden. Und mal ganz ehrlich: wer denkt nicht bei jeder Louis Vuitton Tasche, die er sieht daran, dass die Trägerin dieses Schnäppchen bestimmt auf einem türkischen oder spanischen Markt erstanden hat. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass jeder Louis Vuitton Store nur zwei Artikel pro Käufer veräußert, um Exklusivität zu garantieren und den Markt nicht mit Louis Vuitton Produkten zu überschwemmen - sehr zum Leidwesen der Japanerinnen, die bei europäischen Shoppingtrips gewzwungen sind in verschiedenen Städten einzukaufen, um ihren Bedarf zu decken.

Sonntag, 14. Juli 2013

Shopping Diät

Noch 226 Tage bis zum Ende des Projektes


Der neunzehnte Post ist Andrea gewidmet, die in 5 Monaten 25 Kilo abgenommen hat, ich habe sie nur an ihren Augen und ihrer Stimme erkannt. Sie sieht supergut aus. Nahrungsdiät versus Shopping Diät.




Dublin 2013


Die ersten hundert Tage meiner Shopping Diät sind um. An manchen Tagen merke ich gar nicht, dass ich Diät mache, dann ist alles einfach und ich denke nicht an Mode, andere Tage hingegen sind weitaus gefährlicher. Wenn z.B. die ersten Kataloge mit der Herbstmode ins Haus geflattert kommen, wenn sich - bei einer Außentemperatur von 26° Grad im Schatten - die Idee festsetzt, dass ein harmloses dunkelblaues Wollmützchen und ein dazu passender Schal genau das sind, was ich im Herbst brauche, um meinen Winterjacken den letzten Schliff zu geben! Im Grunde weiß ich doch ganz genau, dass sich weder ein blaues Wollmützchen lohnt, noch ein erneuter Rückfall in alte Shopping-Gewohnheiten. Das absolute Lieblingskleid, deswegen ich im Juni meine guten Vorsätze vergaß, ist zwar ein wunderschönes Kleid geblieben, das Versprechen, das es mir gab, nämlich mich auf immer und ewig zu verschönern hat es nicht wirklich eingelöst. 

Ein erneuter Rückfall lohnt sich definitiv nicht und würde vielleicht sogar das Projekt in Frage stellen. Dann würde aus No-Shopping ein Smart-Shopping-Projekt und das ist nicht das, was ich möchte. Ich bin also definitiv immer noch gefährdet.
Heute Morgen hörte ich im Radio von Harald Belzer und seinem Buch "Selber Denken". Was mir in Erinnerung blieb, ist die Tatsache, dass alle Deutschen 2013 doppelt so viele Klamotten im Kleiderschrank haben, wie 2003. Ist das wirklich erstaunlich, wenn man in den Billig-Textilketten T-Shirts schon ab 5 € kaufen kann?

In meinem Zimmer habe ich einen kleinen Buchschrein für das Buch: Little Black Jacket von Carine Roitfeld und Karl Lagerfeld aufgebaut. In diesem Buch sind 113 Personen im kleinen schwarzen Jäckchen ganzseitig fotografiert. Obwohl jeder das gleiche schwarze Jäckchen trägt, sind Frauen und Männer doch so unterschiedlich gestylt, dass jedes Foto eine Geschichte erzählt. Jeden Tag blättere ich eine Seite um und versuche mich mit dem Foto zu verbinden. Dieses Buch soll mich inspirieren, verschiedene Stylings um ein Kleidungsstück herum zu probieren, aber es hat auch ein Geheimnis: was macht guten Stil aus? Wieso kann ein Jäckchen so viele Geschichten erzählen und wer von denen bin ich?

Montag, 8. Juli 2013

Schwarze Serie


Noch 232 Tage bis zum Ende des Projektes


Der 18. Post ist meiner Freundin Barbara gewidmet. Seitdem mein No-Shopping-Projekt läuft, bemerkt sie,dass sie statt eines T-Shirts immer gleich mehrere kauft, weil sie sich nicht entscheiden kann.




Retrochic anno 2013



Ich habe eine schwarze Serie. Alles geht kaputt. Es fing damit an, dass unser schönes schwarzes Gazelle Hollandrad, Baujahr 1960 gestohlen wurde, dann ging dass Auto kaputt, Waschmaschine und Spülmaschine folgten in kurzem Abstand, der Duschkopf tröpfelt nur noch und läß sich zum Entkalken nicht abnehmen. Die Badezimmerlampe wurde vom Gatten aufgefangen, als sie von der Decke fiel, die kleine Lampe im Fernsehzimmer bleibt dunkel, obwohl eine neue Glühbirne drin ist und das Telefon klingelt lautlos, was niemandem etwas nützt.

Zum Geburtstag bekam ich von meiner Familie die heißersehnte Dockstation. Jetzt kann ich ohne Kopfhörer in zimmerlautstärke Musik vom Smartphone hören. Das Retro-Design hat mich jedoch ein wenig schockiert. Was will es mir sagen? Etwa: ich bin so stabil wie die Geräte von früher, ich gehe nicht kaputt, mit mir wirst du alt? 
Und wenn es so wäre - die Dockstation hat eine Eingangsbuchse für ein Smartphone der 4-er Serie, spätestens wenn ich das Nachfolgemodell haben werde, paßt der Stecker nicht mehr, weil der der 5-er Serie nur noch halb so groß ist. Nichts ist für die Ewigkeit!

Was bedeutet das in Bezug auf unsere Kleidung? Rebecca Willis beschäftigt sich in ihrem Artikel: Clothes: A Manifesto (erschienen im Economist, March/April 2013) damit. Sie schreibt, wir shoppen nicht aus Notwendigket, wir shoppen aus Gewohnheit. Eine ganze Generation ist zum Shoppen erzogen worden, weil sie in einer konsumorientierten, nach Neuheiten suchenden Kultur groß geworden ist; aber auch weil ihre Kleidung auseinander fällt. (Der Saum löst sich auf, weil zu sparsam mit dem Stoff gearbeitet wurde.) Was ist mit der Qualität von Kleidungsstücken passiert? Halten jene Kleidungsstücke länger als eine Saison, die in schönen Fabriken gut zugeschnitten und verarbeitet wurden und in tollen Geschäften ordentlich auf Kleiderbügeln hängen? Außer in kleinen, fast kunsthandwerklich arbeitenden Betrieben, ist das gute alte Handwerk der Schneiderkunst ausgestorben. Die Heinzelmännchen von Köln sind vertrieben worden und Kleidung oder Mode ist mehr eine konzeptionelle Idee, eine Vorstellung, die während des industriellen Herstellungsprozesses keinen Wert mehr an sich hat.
Der TV-affine Stardesigner Guido Maria Kretschmer würde in diesem Zusammenhang vielleicht bemerken, dass niemand mehr "textil denkt".

Es sollte doch so sein, dass die Qualität umso höher ist, je mehr man für das Kleidungsstück bezahlen muß. Dann würde vielleicht auch weniger gekauft. Der Wirklichkeit wird dieser Idee aber nicht gerecht: man kann durchaus signifikante Summen zahlen und vielleicht ist die Herstellung auch schöner, aber noch immer sitzen die Knöpfe locker und fallen ab oder die Nähte reißen, weil die Nahtzugabe zu kurz gefasst ist.
Wenn Rebecca Willis den ausgewählten Frauen die Frage stellt, ob Kleidungsstücke für immer halten sollen, antwortet nur eine mit "nein": Frauen wollen eine kleine Auswahl besser hergestellter Kleidung. (Fortsetzung folgt)