Der 21. Post ist der erstaunlichen Tatsache gewidmet, dass sich mein Geld einfach nicht vermehrt. Wie kommt das?
Jonas Gerhards: Ohne Titel |
Mein Kassensturz im Juli ist eine bittere Pille, die ich kaum schlucken mag. Gefühltermaßen habe ich nichts gekauft, nichts heißt in diesem Fall keine Kleidung. Dafür Kosmetik, Friseurbesuch, einen Badeanzug (musste sein!) und ein TK Maxx Schnäppchen: eine Handtasche, die um 70% reduziert war - wer kann dazu schon nein sagen? Auf der Skala von 1 bis 6 war ich also in diesem Monat mit 6 der absolute Loser und sollte mich über gar nichts wundern. Verdient habe ich auch nichts zusätzlich, so dass die Antwort auf die Frage: wie kommt das? sehr einfach ist: von nichts kommt nichts.
Im letzten Spätsommer veröffentlichte meine Lieblingsfrauenzeitschrift "Brigitte" eine Serie von Kleidungsstücken, die in Zusammenarbeit mit der Bekleidungsfirma Tom Tailor entworfen, produziert und in ausgewählten Shops und im Internet exklusiv verkauft wurden. Die Zeitschrift warb für dieses Projekt mit schön fotografierten Modestrecken in eigener Sache. Die Idee war ein Modebaukasten, in dem jedes Teil einer Linie fast mit jedem anderen Teil kombiniert werden konnte. Der Stil war urban, lässig und jung. Der Preis moderat und die Qualität, durch den Namen "Brigitte" und " Tom Tailor" veredelt versprach nicht gerade Billigscheiß.
Ich liebe Baukästen jeder Art: sie sind durchdacht, gut strukturiert und vielseitig anwendbar. Die Elemente eines Baukastens sind nicht eigenwillig oder krumm, sie verändern weder ihre Textur, noch ihr Aussehen, noch ihre Haptik, sie werden auch nicht größer oder kleiner, wenn man sie benutzt. Die Elemente des Brigitte Baukasten-Bekleidungsystems jedoch veränderten schon nach kurzer Zeit ihre äußere Form. Der Pulli wurde immer breiter, Rock und Kleid bekamen diese fiesen kleinen Pilling-Kügelchen, die ein Kleidungsstück immer ungepflegt und billig aussehen lassen - und das schon nach der ersten Wäsche. Nach der Zweiten wurde es schlimmer, und danach habe ich nur noch das Kleid angezogen, aber bestimmt auch nicht öfter als ein Mal.
Um auf Rebecca Willis zurück zu kommen und ihr Manifest für gute Kleidung (Clothes: A Manifesto, in: Economist, March/April 2013): wir sind nicht born to shop, wie es auf einem T-Shirt steht. Shoppen ist eine Gewohnheit, keine Notwendigkeit. Eine ganze Generation ist zum Shoppen erzogen worden. Kam der Begriff in Deutschland nicht auch erst in meinen heißgeliebten, vom Hedonismus geprägten 1980-er Jahren auf? Seitdem leben wir in einer konsumorientierten, nach Neuheiten suchenden Kultur.
Die Dinge zu durchschauen und der Wunsch etwas zu verändern sind erste Ansätze eines neuen Bewußtseins. Wie schwierig die Veränderung ist, erlebe ich in meinem No-Shopping Projekt permanent. Ich bin gespannt, wie weit ich in 210 Tagen bin.