Donnerstag, 30. Mai 2013

Kassensturz im Mai: Milchmädchenrechnung




Noch 273 Tage bis zum Ende des Projektes





Der zwölfte Post ist einer Bekannten meiner Tochter gewidmet, welche die These vertritt, dass, wenn man intensiv an einer Sache arbeitet immer die beiden Fragen maßgeblich sind: wo will ich hin? Von wo will ich weg?



Foto: Laura Moellers



Am Ende des zweiten, shopping-freien Monats stelle ich mir wieder die Frage: wie viel Geld habe ich in diesem Monat gespart? Theoretisch müsste sich wieder ein hübsches  Sümmchen auf meinem Konto versammelt haben.

Dem ist nicht so!

Wieso?



Weil ich eine Meisterin der Milchmädchenrechnung bin.

Wie die bundesrepublikanischen Wirtschaftsweisen, die den jährlichen Zuwachs des Bruttosozialproduktes und der steigenden Wirtschaftskraft ausrechnen und ein stetiges Wachstum von einigen Prozent vorhersagen, da sie nicht bereit sind an das Ende der Wachstumsmärkte zu glauben, so fließt auch in meine Rechnung nicht ein, dass die Einnahmen zurückgehen, die Ausgaben aber weiterhin fließen und ich niemals soviel Geld zurücklegen kann, wie ich es theoretisch geplant hatte.

Die Sparmaßnahme des Nicht-Shoppens kommt also genau zum rechten Zeitpunkt.



In diesem Monat hätte ich sehr gerne eine afrikanische Kette und ein Paar bunte Sneakers gekauft. Auf einer Skala zwischen 1 und 6 liegt der Verzicht auf die Sneakers bei etwa 2-3; der Verzicht auf die Kette hat mich schon einige Tage beschäftigt und liegt demnach bei 4, er ist mir nicht ganz so leicht gefallen.

Dadurch habe ich in diesem Monat ca. 150 Euro virtuelles Geld gespart. Ich fühle mich durch den Verzicht überlegen und habe nicht wirklich das Gefühl, diese Sneakers oder diese Kette zu brauchen. Ich weiß, dass ich sie durch andere Dinge, die ich bereits besitze, ersetzen kann. Dabei hilft mir sicherlich auch das Projekt „6 Dinge oder weniger“, mit dem ich mich seit kurzem beschäftige und das mir zeigt, wie viel ich in Wirklichkeit besitze.



Mit der Frage „wo will ich hin“ stelle ich seit kurzem auch den Wunsch nach dem Chanel-Jäckchen in Frage, ich weiß nicht mehr, ob ich es wirklich will; aber ich weiß, von wo ich weg will: ich will weg vom Spaß-Konsum des Kaufens. 


Samstag, 25. Mai 2013

Sechs Dinge oder weniger ...

Noch 278 Tage bis zum Ende des Projektes


Der elfte Post ist Ingeborg gewidmet, die mir in einem Telefonat von einen Zeitschriftenartikel erzählte und mir damit wieder neuen Schwung gab.


Meike Winnemuth ist Journalistin. Ich las vor zwei Jahren zum ersten Mal ganz bewußt ihre Berichte, in denen sie im Magazin der Süddeutschen Zeitung monatlich von unterschiedlichen Orten der Welt schrieb, an dem sie sich gerade aufhielt. Meike Winnemuth machte eine Weltreise und ermunterte ihre Leser, ihr für den nächsten Aufenthaltsort eine neue Aufgabe zu stellen. So mußte sie in Buenos Aires Tango tanzen lernen und in Sidney die beste Cocktailbar finden oder so ähnlich. Das war eine tolle Reihe von Reiseberichten, die ich ein ganzes Jahr mit großer Begeisterung verfolgte. Das Geld für diese Reise hatte sie bei "Wer wird Millionär" gewonnen und sie war im Fernsehen in einem Kleid aufgetreten, das sie ein ganzes Jahr lang getragen hatte.
Dies ist der Teil der Geschichte, der mich nach dem Telefonat mit Ingeborg am meisten interessierte: eine Frau -  ein Kleid - ein Jahr !

Der Gedanke, dass man seine persönliche Garderobe, von der man annimmt, dass sie nicht nur Schutz und Schmuck ist, sondern auch ein wesentlicher Teil des persönlichen Ausdrucks, sozusagen die soziale Identität des Trägers widerspiegelt, dass man diesen Teil seiner Persönlichkeit auf ein Minimunm reduziert und beobachtet, was in diesem Prozess passiert: was brauche ich und auf was kann ich verzichten? Was nehmen die anderen wahr und wie nehme ich mich selbst in der Reduzierung wahr? Wieviel Kleidung, wieviel Abwechslung, wieviel Konsum brauche ich, um mich wohl zu fühlen? Welche neuen Werte entstehen durch den Verzicht? (meine Lieblingsfrage)

Meike Winnemuth hat drei identische Kleider anfertigen lassen, die sie im Wechsel mit vielen unterschiedlichen Accessoires ein Jahr lang getragen hat. Täglich hat sie ein Foto in ihrem Outfit geschossen und es in ihrem Blog veröffentlicht. 


Über diesen Blog bin ich zu den "sixern" geführt worden. Das Projekt heißt: "6 Items or less". Die Teilnehmer versuchen einen Monat mit sechs Kleidungsstücken oder weniger auszukommen. Unterwäsche, Schuhe, Sportgarderobe, Überkleidung und Accessoires zählen nicht. Die Fragen dieses Projektes sind dieselben wie oben: wieviel Klamotten braucht der Mensch?





Für eine Woche habe ich mich enthusiastisch dieser Idee angeschlossen. Doch bei mir ist die Motivation eine andere, es ist quasi die Ausgangssituation für diesen Blog: mein Kleiderschrank ist klein, ich will keinen anderen, deshalb kann ich nur mit dem glücklich sein, was in diesen Schrank passt. 
Ich will all meine Sachen der Reihe nach tragen und zum Schluß entscheiden, auf was ich verzichten kann oder will. Ich will neue Kombinationen entdecken und das Gefühl der Fülle erleben. Ich will in dem Gefühl schwelgen, dass ich nichts Neues brauche und locker ein
Jahr ohne Shopping auskomme, trotzdem aber nicht immer das selbe anziehe.

Was ich mir für diese Woche ausgesucht habe, habe ich fotografiert. Ausnahmsweise sind es in dieser Woche sieben Teile (da fängt die Qual der Wahl schon an ...), da es im Mai noch so kalt ist, dass ich einen Wollpullover dazunehmen mußte. So ein Pullover ist für mich wichtig - heute morgen hätte es sich total komisch angefühlt, wenn ich im Blazer gefrühstückt oder Marmelade gekocht hätte.

Montag, 20. Mai 2013

Keine Zeit, keine Zeit ....

Noch 283 Tage bis zum Ende des Projektes




Der zehnte Post ist Kate gewidmet, die mit ihrer Frage "warum bist du so still?" genau ins Schwarze getroffen hat. "Ich muß so vieles denken ...."






Vor einigen Tagen war ich für kurze Zeit in Dublin. Wie es das Klischee will, war es kalt und hat meistens geregnet. Während eines Regenschauers, und weil ich auch ein wenig Heimweh hatte, bin ich in ein "Starbuck's Cafe"gegangen. Das mache ich häufig an fremden Orten. Starbuck's ist überall auf der Welt gleich, der Kaffee schmeckt immer gleich und das Publikum ist in etwa auch immer das Gleiche. Das hat etwas heimatliches - egal ob in Barcelona, Köln oder Rom. Besonders gefallen mir die Panoramafenster, die auch fast immer gleich sind und einen ungehinderten Blick auf die Straße bieten.
Dubliner Frauen sind in der Regel schwarz gekleidet. Obligatorisch sind schwarze Leggins oder Strumpfhosen zu Ballerinas, die bei irischem Regenwetter in Null komma nichts durchweicht sein müssen - wie machen die das? Oder haben die immer nasse Füße?
Nach meiner Regenpause war ich noch kurz in einem Edelkaufhaus, um dem kleinen schwarzen Chanel-Jäckchen guten Tag zu sagen. Leider war es nicht anwesend und ich durfte auch kein Foto von einem schwarzen Chanel-Kleid mit grünem Handtäschchen machen. Zu blöd - wo ich doch schon fast zur Chanel-Familie gehöre!


Was ich in diesen Tagen, in denen ich nichts geschrieben habe, am meisten vermisse ist Zeit. Ich hetze durch die Woche, versuche jeden Tag all die Dinge zu tun, die getan werden müssen und gerate unter Druck, weil ich Vorbereitungen treffe für das nächste Projekt, den nächsten Tag, den nächsten Anlass: keine Zeit, um über das Vergangene nachzudenken, keine Energie, den nächsten Termin wahrzunehmen oder zu planen. Eine Reise, ein Theaterstück, das Treffen mit der Freundin - alles wird austauschbar und verschwimmt im Rückblick. Und immer diese Panik, etwas Wesentliches vergessen zu haben. Kurz vor Ostern beginnt jährlich die Terminplanung: an welchem Wochenende kann man mit wem etwas unternehmen? Bis kurz vor Weihnachten werden Termine gemacht, der Höhepunkt ist zwischen Weihnachten und Silvester - danach wird bis zur Fastenzeit eine obligatorische Ruhepause eingelegt.
Ich hatte mir eingebildet, mit der Shopping-Pause Zeit zu gewinnen. Wahrscheinlich muß ich jetzt versuchen, Terminpausen einzulegen oder Termine abzusagen oder Gremienarbeit zu stornieren oder nie wieder ins Kino gehen oder aufhören zu atmen ...

Sonntag, 5. Mai 2013

Der Mai ist gekommen ...

Noch 298 Tage bis zum Ende des Projektes

Der neunte Post ist Jonas gewidmet, der immer eine Lösung weiß.


Der Frühling ist endlich gekommen. Seit gestern ist es draußen  warm. Die Sonne scheint, alles grünt und blüht und in mir ruft es nach Veränderung! 

Veränderung: hier, jetzt, sofort! 

Mit diesem Gefühl, das wußte ich gestern genau, darf ich nicht in die Stadt gehen. Der ursprüngliche Plan war, an diesem schönen Tag Fotos von Menschen in kleinen schwarzen Jäckchen zu machen: aber die Verführung, ein Mitbringsel aus der Stadt heimzutragen, dass so ganz und gar nicht in Sparkonzept passt, war zu groß. Also bin ich zu Hause geblieben und habe versucht meine Garderobe im "DIY - Do It Yourself- Verfahren" aufzupeppen. Das Ergebnis war nicht erfolgreich. Geträumt habe ich von einer Kette aus Silber und Korallen, rustikal und doch leicht, fließend und (wie immer) zu allem kombinierbar. Ich habe nichts hinbekommen, was mir wirklich gefällt und meine Gardeobe ultimativ bereichert. Vielleicht hatte ich es mir zu einfach vorgestellt oder mein kreatives Potential zu hoch eingeschätzt.
Do ...
 it ....







yourself !






















Die Modemacherin Vivienne Westwood hat 2011 eine DIY: Do-It-Yourself Collection  herausgebracht, in der sie sich sehr auf ihre eigene Vergangenheit als Nachkriegskind bezieht. Während sie in einer Dokumentation des Fernsehsenders "Arte"von der entbehrungsreichen Zeit spricht und der Kreativität, die sie hervorgerufen hat, sieht man sie in einem selbstgestrickten zweiteiligen Kostüm, das über und über mit gehäkelten Blumen verziert ist. 
Auch die Mode der Punks, die sie in den siebziger Jahren in ihrer Boutique "World's End" in London verkaufte, hatte immer etwas subversives und provokatives. Vivienne Westwood führt ihren ganz persönlichen Anti-Konsum-Krieg, nicht nur als Modemacherin, sondern auch als Künstlerin und Aktivistin, die in Konsum und ununterbrochener Zerstreuung die Hauptübel unserer Zeit sieht. Mit ungewöhnlichen Mitteln erfindet die Modeschöpferin in jeder Kollektion die Mode neu. Paradox, widersprüchlich und non-konformistisch sind die Adjektive, mit denen Lady Westwood nur unzureichend charakterisiert werden kann: sie bleibt ein facettenreiches Juwel - ein Stein mit Ecken und Kanten.